Access before Success

FachbeitragUX & Service Design
Access before success Landscape

Gute Gründe, Barrierefreiheit von Anfang an zu berücksichtigen

Über 1 Milliarde Menschen – rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung weltweit – sind behindert. Dennoch wird die größte Minderheit der Welt oft noch geflissentlich übersehen: “Zu kompliziert, zu teuer und für eine viel zu kleine Zielgruppe” sind Ausreden, die einem rund um das Thema Barrierefreiheit begegnen. Dabei ist die Berücksichtigung dieser Gruppe nicht nur ein Akt der Empathie, sondern auch eine kluge unternehmerische Entscheidung. Denn je mehr Menschen eine Website bequem nutzen können, desto besser wird z.B. deren Google Ranking.

Wir sind uns einig: Das Thema braucht nicht nur mehr Aufmerksamkeit, sondern muss zusätzlich einen festen Platz in der Entwicklung von Websites bekommen. Auch bei ONEDOT ist hier noch Luft nach oben, so ehrlich wollen wir sein. Grund genug, endlich tiefer in das Thema einzusteigen. Und da wir keine Gatekeeper sind und unser Wissen gerne teilen, beleuchten wir in diesem Wissenshäppchen, was digitale Barrierefreiheit ist, wo sie genau ansetzt und vor allem die Frage: Wie und wann geht man das Thema denn nun am besten an?

Individuelle Bedürfnisse Symbole Web Accessibility Barrierefreiheit

Die Vielfalt an Bedürfnissen beeinflusst das Nutzerverhalten

Farbenblindheit, eingeschränkte motorische Fähigkeiten, Legasthenie, starke Sehschwäche, ADHS oder Gehörlosigkeit – die Liste der diversen Bedürfnisse körperlicher und geistiger Fähigkeiten ist lang und wirkt sich direkt darauf aus, wie Menschen Websites nutzen, sich informieren, kommunizieren oder online einkaufen. Schon die nachlassende Sehkraft im Alter führt dazu, dass auch Menschen ohne dauerhafte Einschränkung auf die komfortable Nutzung von Apps, Online-Shops und Co. angewiesen sind. Ebenso bei der einhändigen Bedienung einer Website, während wir uns auf Reisen an der Haltestange eines Busses festklammern und hektisch den Weg zum Hotel googlen.

Zugänglichkeit für alle bedeutet aber weit mehr als ausreichend große Schaltflächen oder deutliche Farbkontraste, um Elemente auch mit Sehbehinderungen gut erkennen zu können. Barrierefreiheit fängt beim Code an, geht über die Aufbereitung der Inhalte und hört noch lange nicht auf, wenn es darum geht, multimediale Inhalte wie Videos oder Podcasts für alle zugänglich zu machen. Die Web Accessibility Initiative (WAI) empfiehlt zum Beispiel Folgendes:

Vorgaben der w3c Barrierefreiheit

Strikte Trennung von Inhalt, Struktur und Design

Keep it separated! Eine klare Aufteilung von Inhalt, Struktur und Design ermöglicht eine einfache Aktualisierung der Inhalte, ohne dass dabei das Design durcheinander gerät. So bleibt alles schön ordentlich und wartungsfreundlich.

Skalierbarkeit

Size does matter! Mit relativen Maßeinheiten wie em oder % kann sichergestellt werden, dass eine Website flexibel auf die Bedürfnisse der Benutzer:innen reagiert. Egal ob jemand die Schrift vergrößert oder das Gerät wechselt, die Inhalte passen sich an und bleiben lesbar und erkennbar.

Responsivität

Eine Größe, die allen passt? Eher nicht! Eine barrierefreie Website sollte auf allen Geräten gut aussehen und nutzbar sein. Responsive Design ist heute unverzichtbar und der Schlüssel, um sicherzustellen, dass alle Inhalte auf Smartphones, Tablets und Desktops optimal dargestellt werden. Flexibilität ist angesagt!

Einhalten einer aussagekräftigen Struktur

Struktur ist ein Muss! Durch die richtige Verwendung von Überschriften (h1-h6) wird Ordnung und Klarheit in den Inhalten geschaffen. Die Hauptüberschrift (h1) bleibt der einsame Boss an der Spitze, gefolgt von logischen Hierarchien (h2, h3 usw.). Damit wird das Navigieren stark vereinfacht.

Verwendung von HTML-Grundbegriffen

Back to the basics! HTML-Grundbegriffe sind der Schlüssel für eine solide und zugängliche Website. Sie können genutzt werden, um sicherzustellen, dass eine Website von allen Browsern und Assistenz-Technologien verstanden wird.

Leichte und verständliche Navigation

Eine klare und intuitive Navigation ist ein Muss, um Benutzer:innen glücklich zu machen. Nicht alle User:innen sind mit einer Maus unterwegs. Es muss sichergestellt werden, dass die Website auch per Tastatur leicht navigiert werden kann.

Kontrastverhältnis

Bright and bold! Ein ordentliches Kontrastverhältnis zwischen Vorder- und Hintergrundfarben sorgt dafür, dass Texte gut lesbar sind. Besonders wichtig ist das bei kleiner Schriftgröße. Mit einem knackigen Kontrast bekommen alle die Chance, Inhalte klar zu erkennen.

Verwendung kurzer und verständlicher Sätze

Keep it simple! Langatmige Sätze und komplizierte Satzstrukturen sorgen für Knoten im Kopf. Klar und verständlich zu schreiben hilft allen Benutzer:innen, den Inhalt einer Website leicht zu erfassen.

Die Accessibility Library – kryptische W3C Richtlinien verständlich gestalten

Barrierefreiheit in digitalen Infrastrukturen ist also von Anfang an wichtig. Die von der WAI aufgestellten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind weltweit anerkannte Regeln für Barrierefreiheit im Internet. Sie bieten Entwicklern und Designern hilfreiche Richtlinien, um sicherzustellen, dass digitale Inhalte für alle zugänglich sind. Derzeit ist der aktuelle Standard die WCAG 2.2. Alle darin festgelegten Richtlinien sind zweifellos von großer Bedeutung, doch man bekommt beim Einlesen den Eindruck, dass es einen Abschluss in Kryptologie benötigt, um sie zu verstehen.

Designer:innen stehen oft vor der Herausforderung, die Vorgaben in die Praxis umzusetzen und suchen nach verständlichen Erklärungen und konkreten Beispielen, die ihnen bei ihrer Arbeit als Grundlage dienen können. Einige Unternehmen und Agenturen sind daher dazu übergegangen, auf Basis der vorgegebenen Standards der WCAG eigene Checklisten und Regelwerke zu entwickeln, an denen sich die Fachabteilungen Design und Entwicklung ohne großen Interpretationsaufwand orientieren können. So entstehen eigene Accessibility-Bibliotheken, die die Zusammenarbeit enorm erleichtern und die Barrierefreiheit immer im Blick haben.

Accessebility Library für Developer Barrierefreiheit

Diese Bibliotheken bieten vorgefertigte und bereits getestete Komponenten für Design und Entwicklung. Dadurch spart man Zeit und verbessert die Qualitätssicherung, da Fehler frühzeitig erkannt und Korrekturen kostengünstiger durchgeführt werden können. (Laut IBM können die Kosten für Fehlerkorrekturen nach der Veröffentlichung tatsächlich bis zu 30-mal höher sein als in der Entwurfsphase!)

Inklusives Design ist eine Teamaufgabe

Leider ist es nicht damit getan, nur eine Person an Bord zu haben, die Expert:in in Sachen Barrierefreiheit ist. Vielmehr sollte das gesamte Team geschult werden. Designer:innen sind zwar für die Gestaltung von ansprechenden und zugänglichen Benutzeroberflächen verantwortlich und Entwickler:innen bauen diese entsprechend auf. Doch auch Menschen aus dem Projektmanagement, Qualitätsmanager:innen und vor allem Content Manager:innen brauchen ein fundiertes Verständnis für die Anforderungen an Websites für alle.

Wer nun befürchtet, dass die Bemühungen um Barrierefreiheit das Zeitbudget und damit den Kostenrahmen sprengen, kann an dieser Stelle beruhigt werden. Wenn Barrierefreiheit zur Gewohnheit wird, ändert sich die Entwicklungszeit nachweislich nicht oder nur unwesentlich. Eine Accessibility Bibliothek leistet dazu einen wichtigen Beitrag und erweitert gleichzeitig die Kompetenzen des gesamten Teams.

Barrierefreiheit ist eine sinnvolle unternehmerische Entscheidung

Unternehmen profitieren von einer Vielzahl von Vorteilen, wenn sie ein inklusives und für alle zugängliches Online-Erlebnis schaffen. Die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Einschränkungen eröffnet ein enormes Potenzial für zusätzliche Kunden und Kundenbindung. Darüber hinaus trägt eine barrierefreie UX zu einem positiven Markenimage bei. Unternehmen, die sich für die Bedürfnisse aller Nutzer einsetzen, signalisieren ihre Wertschätzung für Vielfalt und Inklusion. Drittens hilft Barrierefreiheit Unternehmen, rechtliche und regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Viele Länder haben Vorschriften erlassen, die die Barrierefreiheit von Websites und Anwendungen vorschreiben. Durch die Einhaltung dieser Vorschriften minimieren Unternehmen – auch perspektivisch – das Risiko von Rechtsstreitigkeiten und Strafen.

Nicht zuletzt verbessert eine barrierefreie UX die Nutzererfahrung für alle. In einer Welt, die sich zunehmend in Richtung digitale Interaktionen verlagert, ist die Integration von Barrierefreiheit in das UX-Design mehr als nur eine gute Geschäftsentscheidung: Es ist eine moralische Verantwortung. Durch die Gewährleistung eines inklusiven Online-Erlebnisses können Unternehmen nicht nur ihren Erfolg steigern, sondern auch dazu beitragen, eine gerechtere und für alle zugängliche digitale Landschaft zu schaffen.

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Fachbeitrag
04.01.23

Personas