Bella Mahnken

Alles auf Dark Mode? — Light mode vs. Dark mode – welches Interface performt besser?

Ein Wissenshäppchen von Bella Mahnken   |   
24. Februar 2023   |   7 Minuten Lesezeit

Alles auf Dark Mode?

Seit es den Dark Mode auf WhatsApp gibt, nutzen wir ihn auch. Er haucht selbst blassen Bill-Gates-Apps eine enigmatische Darth-Vader-Coolness ein und unterstellt uns für jedes Business Meeting eine nonchalante Seriosität. Wer den Dark Mode nutzt, so flüstert man unter vorgehaltener Hand, hat die Digitalisierung verstanden. Aber macht Dark Mode auch wirklich Sinn oder ist er nur eine Tekkie-Spielerei? Ein kleiner Argumentationsleitfaden für Designer:innen und Wandler:innen zwischen den Modi.

Zum Aufwärmen: Kleine Augenkunde

Wenn du mitreden willst, solltest du auch ein wenig Background-Wissen zur menschlichen Anatomie in die Konversation reindroppen, damit keiner wagt, deine Erkenntnisse in Frage zu stellen.
Das Auge funktioniert wie ein Kameraobjektiv – die Pupille weitet sich, wenn wenig Licht einfällt und verengt sich, wenn die Umgebung hell ist. Wenn deine Pupille geweitet ist, also in der Dämmerung oder nachts, häufen sich sogenannte sphärische Aberrationen. Das sind kleine Überlagerungen oder Überstrahlungen, die du als Unschärfen in deinem Bild wahrnimmst. Auch die Tiefenschärfe verringert sich, genauso wie bei einer Kamera bei niedriger Blendenzahl. Daraus kann man schlussfolgern, dass in dunkler Umgebung, in der sich deine Pupille vergrößern muss, die Wahrscheinlichkeit für Unschärfen steigt und Texte somit tendenziell schlechter lesbar sind. Spricht eigentlich gegen den Dark Mode, oder? Aber wir geben dem Schatten-Interface noch eine Chance und steigen mit wissenschaftlichen Fakten in den Ring.

Runde 1: Dark Mode vs. Light Mode bei Lesegenauigkeit

Vor nicht allzu langer Zeit führte die Wissenschaftlerin Cosima Piepenbrock mit ihren Kolleg:innen am Institut für Experimentelle Psychologie in Düsseldorf eine Studie durch, die die Wahrnehmung von Schärfe und Korrekturlesen im Dark Mode gegenüber dem Light Mode untersuchte. An der Studie nahmen zwei Gruppen im Alter von 18 bis 33 Jahren und im Alter von 60 bis 85 Jahren teil, die über normale oder korrigierte Sehkraft verfügten. Sie stellte sicher, dass niemand der Teilnehmer:innen an einer Augenkrankheit, wie etwa Grauer Star, litt. Die Teilnehmer:innen sollten im ersten Schritt die Lücke des Buchstaben “C” auf der korrekten Seite identifizieren und im zweiten Schritt Rechtschreibfehler in einer kurzen Textpassage erkennen. Dabei erledigte die eine Hälfte die Aufgabe in Dark Mode, die andere Hälfte im klassischen Light Mode.
Nach dem Lesen beurteilten die Teilnehmer:innen, wie müde sie sich fühlten, beispielsweise anhand von Anzeichen wie Kopf-, Rücken- und Augenschmerzen.

Auch wenn beide Modi in puncto Müdigkeitserscheinungen gleichauf lagen, waren die Resultate des Schärfetests mit dem Buchstaben “C” und des Korrekturlesens bei den Kandidat:innen mit hellem Hintergrundkontrast besser. Bei der älteren Testgruppe lagen die Ergebnisse etwas näher beieinander, was bedeutet, dass es für ältere Leser:innen weniger Unterschied macht, ob sie im Dark Mode oder Light Mode lesen. Auch eine weitere Studie, veröffentlicht im Journal “Human Factors”, kam zu dem Schluss, dass sich ein Text vor hellem Hintergrund sicherer und fehlerfreier liest. Der Schärfevorteil verstärkt sich, je kleiner die Schriftgröße. Auf kleinen Bildschirmen, mit kleiner Schrift, scheint der Light Mode also für Menschen mit normaler Sehkraft Vorteile zu bieten. Jedoch belegte die Studie nicht, dass die Augen durch das Dark-Mode-Lesen schneller ermüden. Kleiner Schulterklopfer also für Darkie.
→ Runde 1 geht an Light Mode!

Runde 2: Dark Mode vs. Light Mode bei schneller Texterfassung

Beim Autofahren oder Navigieren, beim Kaffeetrinken oder Arbeiten – ständig schaut man “mal kurz” auf sein Smartphone. Während dieses Blick-Momentums kann dein Auge nur wenige Wörter erfassen und genau darum geht es in der Studie von Jonathan Dobres und seinen Kolleg:innen am MIT Agelab. Er wollte wissen, inwiefern heller oder dunkler Hintergrund sowie das Umgebungslicht unsere Fähigkeit beeinträchtigen, schnell Wörter zu erfassen.

Die Teilnehmer:innen sollten innerhalb eines Augenblicks erkennen, ob eine Buchstabenkette einen Wortsinn ergibt oder nicht. Dabei lasen sie mal auf dunklem oder hellem Grund, mal bei Tageslicht oder Dunkelheit und mit unterschiedlichen Schriftgrößen.
Sowohl das Umgebungslicht als auch die Helligkeit des Texthintergrundes und natürlich die Textgröße beeinflussten das Ergebnis. Bei Tageslicht konnten die Proband:innen die Wörter schneller beurteilen als bei dunklem Umgebungslicht, im Light Mode erfassten sie die Informationen besser als im Dark Mode und eine größere Schrift wirkte sich ebenfalls positiv auf die Beurteilungsfähigkeit aus.
Vor allem nächtliches Umgebungslicht verdeutlichte den Unterschied zwischen Light Mode und Dark Mode: Auf hellem Lesehintergrund erfassten Testteilnehmer:innen die Buchstaben wesentlich besser und gerade kleine Schriftgrößen waren im Dark Mode bei Nacht schwer zu erkennen.
→ Runde 2 geht an Light Mode!

Key Finding:

Bei dunklem Umgebungslicht oder bei kleiner Schriftgröße erfassen wir Texte in der Regel besser im Light Mode.

Runde 3: Dark Mode vs. Light Mode bei Langzeitfolgen

Bis jetzt sieht der gute alte Light Mode gar nicht so blass aus. Er schlägt sich sogar ähnlich elegant wie Weißbrot Henry Maske bei seinem Comeback gegen Virgil Hill. Aber Darkie hält noch einen besonders nachhaltigen rechten Haken im Ärmel bereit. Denn wie sieht es mit den Langzeitfolgen aus? Bisher fokussierten wir uns auf die punktuellen Effekte. Eine Studie von Andrea Aleman und Kolleg:innen an der Universität Tübingen beschäftigte sich mit der These, dass ein dauerhaftes Lesen im Light Mode mit Kurzsichtigkeit (Myopie) assoziiert sein könnte.

Für ihre Untersuchung lasen sieben Teilnehmer:innen einen Text jeweils eine Stunde lang im Light Mode und im Dark Mode. Danach wurde die Dicke des Choroid, einer Vaskulärmembran hinter der Retina, gemessen, da eine dünne Membran mit Kurzsichtigkeit in Verbindung steht. Erstaunlicherweise konnten die Wissenschaftler:innen eine Ausdünnung der Membran nach dem Lesen im Light Mode feststellen. Deutet dies darauf hin, dass ein dauerhaftes Lesen im Light Mode auf lange Sicht den Augen schadet? Ein großer Rückschlag für das Lesen mit hellem Interface-Hintergrund.
→ Runde 3 geht an Dark Mode!

Key Finding:

Studien deuten darauf hin, dass der Light Mode langfristig Kurzsichtigkeit begünstigt.

Bonusrunde: Nutzer:innen mit beeinträchtigter Sicht

Last but not least: Bestimmte Augenkrankheiten können beeinflussen, ob wir besser im Dark Mode oder im Light Mode lesen können. Studien dazu wurden in den 70ern und 80ern durchgeführt – da es damals jedoch noch keine LED-Displays gab, waren die hellen Anzeigemonitore flickeranfälliger, wodurch die Studienergebnisse für moderne Smartphone-Verhältnisse nicht mehr repräsentativ sind.
Dennoch kann man die Annahme stehen lassen, dass Menschen, die an einer Verschleierung des Okulars leiden, mit zu viel Lichteinfall mehr Probleme haben könnten als im Dark Mode. Eine Studie aus dem Jahr 1985 von Gordon Legge und seinen Kolleg:innen an der University of Minnesota legt nahe, dass eine derartige Sehbeeinträchtigung zu ungewöhnlichen Ablenkungen des Lichts in der Augenlinse führt, weshalb der Light Mode unter Umständen zu schwererer Lesbarkeit für Menschen mit Grauen Star (Katarakt) oder ähnlichen Augenkrankheiten führt – für Menschen mit anderen Sehbehinderungen gilt dies jedoch weniger. Geben wir Darkie jedoch hier den Benefit of a Doubt.
→ Die Bonusrunde geht an Dark Mode!

Fazit: Ein Duell auf Augenhöhe

Die letzte Runde hatte es in sich. Light Mode und Dark Mode begegnen sich auf Augenhöhe, niemand zieht mit einem eindeutigen Sieg aus dem Ring. Der Light Mode zeigt eindeutige Stärken, was die Lesbarkeit und schnelle Texterfassung sowohl bei Tageslicht als auch bei Nacht betrifft. Der Dark Mode könnte langfristig gesünder für Menschen mit einer Prädisposition für Kurzsichtigkeit sein und Vorteile für Menschen mit Katarakt bergen – was jedoch noch gründlicher erforscht werden müsste.
Für Webentwickler:innen und Product Owner bedeutet dies, im Sinne des inklusiven Designs, beide Möglichkeiten offen zu halten und die Option einer Dark Mode API zu nutzen, damit alle Leser:innen zufrieden sind. Für Menschen, die den Dark Mode einfach aus stilistischen Gründen gerne tragen, sehen wir nach heutigem Stand der Wissenschaft keine negativen Folgen für die Gesundheit.

Referenzen

  • A. Aleman, M. Wang, and F. Schaeffel (2018). Reading and Myopia: Contrast Polarity Matters. Scientific Reports 8, 10840 (2018) doi:10.1038/s41598-018-28904-x

  • J. Dobres, N. Chahine, B. Reimer (2017). Effects of ambient illumination, contrast polarity, and letter size on text legibility under glance-like reading, Applied Ergonomics. DOI: 10.1016/j.apergo.2016.11.001

  • G.E. Legge, G. S. Rubin, D. G. Pelli, and M. M. Schleske (1985). Psychophysics of Reading – ii. Low Vision. Vision Research.

  • K.S. Papadopoulos., D. B. Goudiras (2005). Accessibility Assistance for Visually-Impaired People in Digital Texts. British Journal of Visual Impairment. DOI: 10.1177/0264619605054779.

  • C. Piepenbrock, S. Mayr, I. Mund & A. Buchner (2013). Positive display polarity is advantageous for both younger and older adults, Ergonomics, DOI: 10.1080/00140139.2013.790485

  • Cosima Piepenbrock, S. Mayr, A. Buchner (2013). Positive Display Polarity Is Particularly Advantageous for Small Character Sizes: Implications for Display Design. Human Factors. DOI: 10.1177/0018720813515509

  • L.L. Sloan (1977). Reading Aids for the Partially Sighted: A Systematic Classification and Procedure for Prescribing. Baltimore, MD: Williams & Wilkins.