Denise Neghmouchi

Care for the nurse! — Wie ihr beim Employer Branding kein Geld mehr verbrennt

Ein Fachbeitrag von Denise Neghmouchi   |   
22. Juni 2023   |   5 Minuten Lesezeit

Care for the nurse!

Mitarbeitende zu verlieren ist nicht nur zeitaufwendig, sondern kommt dein Unternehmen auch teuer zu stehen. Eine Studie der Society for Human Resource Management offenbarte, dass das Finden, Einstellen und Einarbeiten neuer Mitarbeitender bis zu neun (!) reguläre Monatsgehälter verschlingt. Wie schaffen es Unternehmen also, Mitarbeitende zu halten und ihr Geld sinnvoller auszugeben? Employer Branding, das über die Bewerbungsphase hinaus denkt, ist ein Schlüsselfaktor.

Alexander von Bülow ist Experte für Wirtschaftspsychologie und kennt die Antworten auf die Frage, was Menschen dazu bewegt, jeden Tag gerne zur Arbeit zu gehen. In diesem Artikel veranschaulicht er seine Erkenntnisse am Beispiel der Pflegeberufe. Doch auch alle anderen Branchen können von den Insights des Experten profitieren.

Image versus Realität

Krankenhäuser kümmern sich, ohne Frage: Sie investieren in gute Ausbildungswege und upgraden mit viel Geld und Kreativität das Image der Pflege. Wie oft auch in anderen Branchen zu beobachten, zeigt sich besonders in der Pflege: Mitarbeiter:innen schwinden schneller dahin, als sie kamen und jede noch so gut durchdachte Employer Branding Kampagne zerschellt an den harten Fakten der Realität. Was sind die Ursachen für diese kostspielige Mitarbeiter:innen-Fluktuation und wie können Personalmanager:innen der Herausforderung ganzheitlich begegnen?

Ein guter Gedanke: Ausbildung als Personal-Marketing

Employer Branding beginnt oft mit einer sinnvollen Idee: Anreize schaffen. Fünf der zehn besten Ausbildungsbetriebe im Dienstleistungssektor sind einer aktuellen Studie folgend Krankenhäuser. Gut gemacht! Denn natürlich soll ein faszinierend gestaltetes Curriculum in der Pflegeschule anschließend dem Klinikbetrieb zugutekommen. Ein strategischer Beitrag zur Deckung des immensen, seit Jahren bestehenden Fachkräftebedarfs in Pflegeberufen. Was aber, wenn die betriebliche Realität ganz anders aussieht, als es die Ausbildung suggeriert? Wenn die tatsächlichen Tätigkeiten nur einen Bruchteil des Erlernten ausmachen? Wenn ewig jemand spontan zu ersetzen ist? Wenn der Feierabend auf sich warten lässt – von Verlässlichkeit keine Spur?

Gute Gedanken stoßen auf reale Grenzen

Selbst erfolgreiche Recruiting-Kampagnen wissen der Fachkräfte-Fluktuation wenig entgegenzusetzen. Die besten analogen und innovativ-digitalen Ansprachen und Anreize für Bewerbungen nutzen nur, wenn das (Probe-)Arbeiten auf Station oder in den Funktionsbereichen hält, was es versprochen hat. Wenn die Erwartungen der Pflegekräfte erfüllt sind. Oder besser noch: übertroffen. Sollte die betriebliche Wirklichkeit allerdings nicht dazu passen, sind alle Kreativkonzepte und Attraktionsimpulse für den Pflegeberuf vergebens. Absagen und schnelle Kündigungen ersticken die Hoffnungen auf langjährige Betriebstreue im Keim. Die aufwändige Investition am Anfang, obwohl höchst erfolgreich, wird am Ende zu einem Riesenflop.

Employer Branding buchstäblich zu Ende denken

Doch woran scheitert es, wenn die Grundidee stimmt? Schauen wir genauer hin: Am Anfang jeder erfolgreichen Ansprache und Rekrutierung stehen Zahlen, Daten, Fakten. Über die lokalen Bedingungen des Arbeitsmarktes und über das Stellenangebot selbst. Und mehr noch: Über Must-haves, Nice-to-haves und No-gos geeigneter Kandidat:innen. Eine Offenlegung der Motive. Das Ziel: Der Fit zwischen Wunsch und betrieblicher Realität im Krankenhaus. Genau diese Vorgehensweise gilt es im Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Erfolgreiches Arbeiten bedeutet für die allermeisten: das Erreichen persönlicher Arbeitsziele, faire Zusammenarbeit im Team und ein sicherer Arbeitgeber. Das setzt Dialog voraus. Vor allem, um Hindernisse und Störungen im Arbeitsablauf, sogenannte Demotivatoren, zu erkennen. Zufriedenheit am Arbeitsplatz braucht individuelle Aufmerksamkeit, braucht Priorisierung und wirksame Abhilfemaßnahmen. Braucht eine leistungsfördernde Aufbauorganisation und eine zielgerichtete Kommunikationsarchitektur. So dass am Ende Kümmer-Wahrnehmung und Kümmer-Erleben stehen. Selten so wichtig wie in Pflegeberufen: Die Pflege der Pflege. Care for the nurse.

employee-journey-am-beispiel-pflege-krankenhaus-onedot-insights
Das wahre Ziel heißt für ganzheitliches Employer Branding Zufriedenheit am Arbeitsplatz!

Employer Branding, das Mitarbeiter:innen bindet

Das Prinzip “Care for the nurse” umfasst den gesamten Zyklus der Employee Journey – vom ersten Gedanken an die Jobsuche bis hin zur täglichen Arbeitsrealität. Denn dort treffen die idealen Kandidat:innen auf Hürden. Jede einzelne davon kann zu Frustration führen, viele davon sind vermeidbar und beinahe jedes Mal ist es wirtschaftlicher, eine:n Mitarbeiter:in zu halten, als neu zu rekrutieren.

Um fokussiert und schnell an dem zu arbeiten, was das Unternehmen wirklich voranbringt, eröffnet die Perspektive der Employee Journey den Blick auf die Potenziale – mit einem doppelten Fokus.

1. Die Reise zum, in, durch und aus dem Arbeitsverhältnis: Vom Stellenangebot und dem Vertragsabschluss über Entgeltabrechnung und BEM bis zum Arbeitszeugnis. Welche Bedürfnisse bringen Mitarbeitende mit? Wie gehen Arbeitgebende auf diese ein? Wo sind Herausforderungen, die bereits im Vorfeld Gegenstand von Überlegungen sein sollten?

2. Die Reise durch den normalen Arbeitsalltag, vorbei an den täglich wiederkehrenden, erfolgsentscheidenden Critical Incidents: Von der Bettkante und der Anfahrt über die Absprachen zum Arbeitsbeginn und die Übergabe am Feierabend bis zur Heimfahrt und der Tagesbilanz.

Wer sich umsorgt fühlt, kommt gerne wieder

Jede:r Personalmanager:in weiß es – emotionale Benefits wirken stärker als jeder monetäre Anreiz. Wettbewerbsfähige Bezahlung und Benefits sind wichtig und unverzichtbar, aber am Ende geht es um die erwünschte Antwort auf die einzig wichtige Frage: Habe ich Lust auf meine Arbeit, auf mein Team, auf meine Patient:innen? Will ich morgen wiederkommen? Realistisches Employer Branding, das Mitarbeitende in den Fokus stellt und Erwartungen managt, ist dabei ein unverzichtbarer Baustein. Ein wertschätzendes Arbeitsklima, von Anfang bis Ende durch die Brille einer Customer Journey gedacht, dient als Dreh- und Angelpunkt für langfristige Mitarbeiter:innen-Bindung, die Senkung der Personalkosten und sichere Zukunftsperspektiven – sowohl für Arbeitgebende, als auch Arbeitnehmende.

Wir bedanken uns bei Alexander von Bülow vom IST Hannover für die interessanten Einblicke und wertvollen Hinweise.